Und wenn ich jetzt ….
… doch mal zur Beratung gehe? Was passiert dann? Antworten dazu gibt „handle jetzt“.

Gera und 29 weitere Kommunen in Thüringen, mit der Landesgleichstellungsbeauftragten sowie den regionalen Netzen gegen häusliche Gewalt informieren anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen am 25. November über rund 200 Beratungsstellen in Thüringen und die mehr als 20 Anlaufstellen in Gera. Dafür gab es gestern über 60 Aktionen und Informationen.
In Gera fand zudem ein Fachgespräch zur vertraulichen Spurensicherung mit den Mitgliedern des Geraer Netzwerkes sowie den DGB-Gewerkschaftsfrauen und der Leiterin der Rechtsmedizin am Uniklinikum Jena, Prof. Dr. Gita Mall statt. Mit dabei auch Dr. Barbara Mihatsch, Gynäkologin im SRH-Waldklinikum, und Tobias Fischer, Leiter Institut für Rechtsmedizin Gera-Zwickau. Prof. Mall schilderte die Hintergründe und Abläufe der Spurensicherung. Nutzen können diese Leistung alle, die bei Gewalterfahrungen zunächst keine Anzeige erstatten, aber Spuren sichern lassen wollen, für den Fall, dass es zu einer Anzeige kommt und dann Spuren dokumentiert sind. Dies gilt auch, wenn jemand den Verdacht hat, K.O.-Tropfen bekommen zu haben. Auch Ärzte können Gewaltopfer zur vertraulichen Spurensicherung überweisen. Anonym bleibt das Verfahren, indem die Gewaltopfer lediglich nach ihrer Krankenkasse gefragt werden, ohne dabei jedoch Daten aufzunehmen. Die Leistung der Spurensicherung wird anonym abgerechnet.
Erreichbar ist die Spurensicherung in Jena rund um die Uhr unter 03641 9397197. Das Ärzteteam kommt bei Bedarf auch vor Ort nach Gera. Wichtig ist es, möglichst innerhalb von 72 Stunden die Spuren zu sichern, da sich bestimmte Spuren später nicht mehr nachweisen lassen.
Nach dem Fachgespräch wurden in der Innenstadt zu den Geraer Anlaufstellen bei häuslicher Gewalt aktuelle Flyer verteilt, die es jetzt auch auf Arabisch gibt.
Seit inzwischen vier Jahren stärkt Gera die thüringenweite Kooperation „handle jetzt“. Für Sandra Wanzar, Dezernentin für Soziales, Jugend und Kultur ist es wichtig, die Thematik mit der Kampagne und den verschiedenen Formaten in die Mitte der Gesellschaft zu rücken: „Wir wollen häuslicher Gewalt entgegentreten und Betroffenen abgestimmt konkrete Hilfe anbieten.“
Geras Gleichstellungsbeauftragte Catrin Heinrich fasst den Kern der Kampagne zusammen: „Wir greifen dieses Jahr das Thema auf, keine Angst vor dem Schritt zur Beratungsstelle zu haben: ‚Und wenn ich jetzt … doch mal das mache, was ich mich bisher nicht traue?‘. Damit wollen wir Sicherheit und Mut geben, sich an Profis zu wenden. Sie beraten vertraulich, kostenfrei zur ganz individuellen Situation: Opfer, Täter, Frau, Mann, jung, alt … es gibt Anlaufstellen für alle Personen.“
Auf diese weisen seit vielen Jahren auch die die Gewerkschaftsfrauen mit öffentlichen Aktionen rund um den 25. November hin. „Wir halten es für wichtig, in den nächsten Jahren Schutzeinrichtungen bedarfsgerecht auszubauen und dafür bereitgestellte Mittel auch auszugeben“, so Monika Sossna, Gewerkschaftssekretärin.
Neues gibt es auch aus dem Geraer Frauenhaus: Von Gewalt betroffene Frauen zahlen künftig für den Aufenthalt im Frauenhaus keine Miet- und Energiekosten mehr. Das Frauenhaus Gera verfügt aktuell über sechs Wohneinheiten, die jeweils mit Küchenzeile, Bad/WC ausgestattet sind. Eine neue ambulante Beratung für Frauen in Fällen häuslicher Gewalt gibt es am Markt 7 im „Liberare e.V.“ jeweils: dienstags 14:00 – 16:00 Uhr, mittwochs 9:30 – 12:00 Uhr, donnerstags 14:00 – 17:00 Uhr. Termine können vereinbart werden unter 0365/21112 oder per Mail an beratung@liberale-gera.de.
Frauen erhalten dort Informationen zu Schutzmöglichkeiten, Handlungsschritten, sie können mit den Beraterinnen auf eine gewaltfreie Lebensperspektive blicken und erhalten Unterstützung für ihre Entscheidungen.
Hintergrundinformationen
1. Statistik Polizei Thüringen zu registrierten Fällen häusliche Gewalt 2024 in Gesamtthüringen:
Häusliche Gewalt
• 7.040 Personen als Opfer
• deutlicher Anstieg im Vergleich zum Vorjahr um 7,5 % (2023: 6.551 Personen).
• Fünf-Jahres-Vergleich wird ein Zuwachs der Opferzahlen um 12,8 % ersichtlich (2020: 6.250 Personen).
Partnerschaftsgewalt
• 4.515 Fälle mit
• 4.520 Opfern, davon 78,1% weiblich und 21,9% männlich
• 3.438 Tatverdächtige, davon 23,6% weiblich und 76,4% männlich
• Opfer waren zu 45,3 % ehemalige Partner
• 32,7 % nichteheliche Partner
• 22,0 % Ehepartner und eingetragene Partner
Häusliche Gewalt ist der Oberbegriff. Partnerschaftsgewalt ist eine spezifische Form – bei der es um Partner geht also Mann-Frau/Frau-Frau / Mann-Mann als (ehemalige) Lebens- oder Gemeinschaftspartner. Häusliche Gewalt kann auch innerfamilär stattfinden; also gegenüber allen, bei denen es eine Beziehung im häuslichen Nahbereich gibt.
2) Bundeslagebild 2025 des Bundeskriminalamtes zu Gewaltdelikten häusliche Gewalt 2024, veröffentlicht im November 2025
Entwicklungen im Fünfjahresvergleich häusliche Gewalt 2020 - 2024:
• + 40.248 (2020: 225.694; +17,8 %) registrierte Opfer Häuslicher Gewalt
• + 27.939 (2020: 187.581; + 14,9 %) Tatverdächtige bei Häuslicher Gewalt
• - 24 (2020: 310, - 7,7 %) Opfer Häuslicher Gewalt mit tödlichen Ausgang
Haupt-Delikte bei Partnerschafts- und innerfamiliärer Gewalt:
• Einfache Köperverletzung
• Bedrohung, Stalking, Nötigung (insbesondere über das Internet)
• Gefährliche Köperverletzung
3) Studie Femizide, Institut für Kriminologie der Universität Tübingen und dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen, veröffentlicht im November 2025
• Trennung oder Eifersucht sind mit Abstand die häufigste Ursache?) von Femiziden in Deutschland.
• Sexismus, die strukturelle Benachteiligung von Frauen, psychische Erkrankungen, Alkohol- und Drogenmissbrauch sowie eine angespannte sozio-ökonomische Lage können Einflussfaktoren für die Tötung von Frauen und Mädchen sein.
• Empfehlungen der Forschenden im Ergebnis der Studie:
- Zahl der Plätze in Frauenhäusern erhöhen
- Versorgung psychisch erkrankter Menschen verbessern
- Strafverfolgungsbehörden und Gerichte für die typische Dynamik geschlechtsbezogener Gewalt sensibilisieren
- Gesamtreform der Tötungsdelikte und die Einführung eines „German Homicide Monitors“, also eine kontinuierliche Analyse der Tötungskriminalität in Deutschland
- gesamtgesellschaftliche Anstrengungen, um sexistische Denk- und Verhaltensmuster abbauen und so eine tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter ermöglichen.
4) Gewaltschutzgesetz Deutschland
Ab 2032 besteht Rechtsanspruch für alle Beratungen, Schutz für Frauen und Kinder.
5) Thüringen Chancengleichheitsfördergesetz
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Finanzierung Frauenhäuser und Interventionsstellen ist dort geregelt
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Die konkrete Umsetzungsverordnungen ist in Arbeit



