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Ausstellungsarchiv

Gerda Lepke: "Ich bin eine Bäumin" Malerei und Arbeiten auf Papier

Ostthüringische Landschaft, 2009, Öl auf Leinwand
Ostthüringische Landschaft, 2009, Öl auf Leinwand

9.10.2022 bis 08.01.2023

Gerda Lepke (*1939), die Grande Dame der Dresdner und Geraer Kunstszene, gehört zu den bekannten und bedeutenden deutschen Künstlerinnen. In ihren Gemälden, Zeichnungen und Grafiken hat sie eine ganz eigene unverwechselbare Bildsprache entwickelt und mit ihrer Kunst ein eigenständiges Kapitel in der Geschichte der deutschen Kunst geschrieben. 

Für ihre Kunst braucht Gerda Lepke äußere Anlässe: die findet sie, wenn sie mit ihren suchenden Augen in der Landschaft steht. Die vielfältigen Gestaltformationen, ihre momentanen sensuellen Empfindungen der Luft- und Lichtbewegung und Geräusche verdichten sich dann zu einem komplexen und abstrahierten Wahrnehmungsbild, das zugleich Ausdruck des sich Vertrautmachens mit dem Gegenüber des Gegenstandes ist.

Gerda Lepke wurde 1939 in Jena geboren und wuchs ab 1941 in Gera auf. In der ostthüringischen Industriestadt hat sie wesentliche Prägungen erfahren. Prägungen, die ihren schwierigen Weg zur Malerei mitbestimmt haben. Da wäre zuerst das Kriegserlebnis als Kind zu nennen, das intensive Erfahren von Entsetzen und die emotionalen und optischen Erschütterungen, die ihre künstlerische Grundhaltung bis heute bestimmt: mit und in ihren Bildern Gegenwelten aufzurichten und Schönheit gegen Zerstörung zu setzen.

1960 ging Gerda Lepke nach Dresden und folgte ihrer Intention, sich für den Weg zur Malerei zu entscheiden. In der sächsischen Metropole begann sie mit größter Intensität künstlerisch zu arbeiten: zunächst im Selbst- und Abendstudium. Nach 1966 erhielt sie als Studentin der Hochschule für Bildende Künste Dresden eine akademische Kunstausbildung.

Die Stadt an der Elbe wurde ihr zunächst zur künstlerischen Heimat. Hier reifte und entfaltete sich ihre Begabung, da wuchs ihr Werk und sie entwickelte ihre unverwechselbare, lyrisch-pointilistische Bildsprache, hier fand sie Freunde und jene spezifische Atmosphäre, die ihr das künstlerische Arbeiten ermöglichte. Diese Ausdauer und Konsequenz des Weges der jungen Malerin, die sich ihr alltägliches Leben bis Mitte der 1970er Jahre phasenweise als OP- und Krankenschwester verdienen musste, nötigt heute noch hohen Respekt ab.

Vom Dresdner Sensualismus herkommend, schätzt Gerda Lepke beim Zeichnen oder Malen die Stille, um den lebhaften Geräuschen der Natur, dem Streifen des Windes über die Wiesen, dem Rascheln der Blätter im Astwerk oder dem Zwitschern der Vögel folgen zu können.

Die Erscheinung der Dinge im veränderlichen Licht ob Blattwerk, Geäst, Blatt- und Blütenformen vereinzeln sich nicht, sondern gehören für sie zusammen. In ihrer Malerei richte sie den Blick oft auf einen winzigen Ausschnitt, auf ein Stück Natur, für viele eher unauffällig und unspektakulär im sonst turbulenten Alltagsgetriebe und fertigt davon ganze Motivreihen an. 

Die Lebendigkeit ihres Bildraumes erwächst aus einem Prozess des Übereinanderlegens und -schichtens verschiedenen Farbtöne und -nuancen und den unterschiedlichen Bewegungsrichtungen ihrer Pinselzüge und Farbtupfer. Durch offene und verdichtet Partien mit unterschiedlicher Farbintensität schafft sie sich bildnerische Zentren, die zum Bildganzen stets harmonisch ausbalanciert sind.

Ihr bildnerischer Drang ist Wahrheitssuche. Die aufgefundenen Naturformen geben nicht einfach nur einen Ast, eine Blüte oder ein Blatt wieder, sondern allenfalls ein Bild von selbigen – oder wie Gerda Lepke selbst formuliert: „Mein Realismus ist das, was ich auf der Fläche daraus mache.“ Erst wenn das bildnerische Resultat dem Wollen entspricht, dem Gesuchten und Erschauten nahe genug ist, dass das Auge über Assoziationen entscheiden kann, ist ihre Arbeit am jeweiligen Bild beendet. Ihre farbflirrenden Bilder von Blatt- und Blütenkronen, Baum- und Astwerk im Garten, von Ufer-, Fluss- und Himmelszonen, Feld, Acker- und Wiesenlandschaften, von Buschformationen, aber auch Köpfen und Figurengruppen vergegenständlicht sie auf den Leinwänden und Zeichenblättern

Die Geraer Ausstellung präsentiert eine charakteristische Auswahl von Arbeiten aus verschiedenen Schaffensphasen, insbesondere die frühe Abkehr in ihrer Kunst von der engen Gegenstandsauffassung des sozialistischen Realismus und die Hinwendung zu den Abstraktionsprinzipien der Moderne stehen hier im Fokus. Die Schau zeigt formelle Brüche und die konsequente stilistische Entwicklung ihrer sensitiven Linienabstraktion auf und stellt einen retrospektiven Blick in das Oeuvre dar, auf frühe expressive Aquarellblätter und wunderbar lockere und offene Landschaftstuschzeichnungen aus den 1970er Jahren, auf eine Reihe von Selbstbildnissen der Jahre 1968 bis 1971, die bislang überhaupt noch nicht gezeigt wurden. In den Bildern der 1980er Jahre bis zur Gegenwart mit Natur- und figurativen Motiven entfaltet sich ihr eigener Realismus, der stilistisch zwischen impressiver Gegenstandserfassung und malerischer Abstraktion anzusiedeln ist.