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Ortsteile der Stadt Gera

Ortsteil Zwötzen

Daten und Fakten

Name des Ortsteils:Zwötzen
mit den Ortslagen:
Ortsteil der Stadt Gera seit:01.01.1919
Fläche:317 ha
Einwohner: (Stand: 31.12.2022)4.573

Ortsteilbürgermeister und Ortsteilrat

Wahlperiode 2019 bis 2024
Ortsteilbürgermeister:Lagojda, Matthias
Mitglieder des Ortsteilrates:Goldammer, Haymo
Hilbert, Thomas
Keßler, Michael
Dr. Kochendörfer, Wolfgang
König, Felix
Lehmann, Mario
Leucht, Wolfgang
Obst, Steven
Reitmayer, Alfried
Theuermeister, Klaus (ab 01.09.2021)
Vierheilig, Peter (bis 31.08.2021)
Ortsteilbüro:Pfarrstraße 3
07551 Gera
Tel. 0172 / 924 8651
E-Mail: otb-zwoetzen@t-online.de
Sprechzeiten:nach Vereinbarung
der im Jahr 2015 neu gegründete Ortsteilrat mit Oberbürgermeisterin Frau Dr. Hahn
Hochwasser am 3. Juni 2013
Maibaumsetzen in Zwötzen im Jahr 2017
Sommerfest 2021 in Zwötzen

Lage und Verkehrsanbindung

Lage:Der Ortsteil Zwötzen befindet sich im süd-lichen Stadtgebiet Geras. Es ist begrenzt durch die Elster und den Bahndamm der Saalfelder Strecke im Westen, durch die Bahnlinie der Gößnitzer Strecke im Norden, im Süden durch die Siedlung Elstertal und die Straße am Ziegenknoten, jeweils einschließlich, und im Osten bis Kaimberger Straße/Höhe Dreiherrnstein ausschließlich. Die Wald- und landwirtschaftlichen Flächen auf dem Eichberg östlich der Lasur gehören bereits zu Kaimberg.
Nutzung:Bis in die Mitte des 19. Jh. war Zwötzen landwirtschaftlich geprägt. Mit der anschließenden Industrialisierung gewann der Ort vor den Toren Geras durch die Ansiedlung von Wohnungen und Industrie stark an Bedeutung und wuchs immens. Firmen der Textil- und Metallbranche mit reichlichen Arbeitsplätzen entstanden. Der Ort gewann kleinstädtischen Charakter mit interessanter Gestaltung. Die Industriebauten werden heute noch zum Teil industriell oder als Bildungseinrichtung genutzt. Die Bedeutung der produzierenden Betriebe als Arbeitgeber ist stark zurückge-gangen. Zunehmend wandelt sich der Charakter hin zu einer Wohnstadt.
Landschafts- und Ortsgestalt:Zwötzen ist ein überwiegend städtisch und teilweise industriell geprägter Vorort in der Tallage an der Mündung des Schafgrabens in die Weiße Elster. Im Nordosten wird er begrenzt durch den Lasurberg mit seiner Bewaldung, im Südos-ten durch den Büchsenberg mit dem Ortsteil Taubenpreskeln. Westlich grenzt Zwötzen an die Stadtteile Debschwitz und Lusan. Als Ortszentrum kann man den Beginn der Werdauer Straße mit den ältesten Häusern über den Anger bis hin zur prägnanten evangelischen Kirche St. Martini und zur Straßenbahnwendeschleife ansehen. Die genannten benachbarten Anhöhen laden zu Spaziergängen ein und bieten interessante Ausblicke.
Verkehrsanbindung:Zwötzen ist erreichbar von Gera-Pforten über die Zwötzener Straße oder die Straße der Völkerfreundschaft, von Lusan über die Zwötzener Brücke, weiterhin über die Lieb-schwitzer und die Kaimberger Straße. Vom Fernverkehr ist der Ortsteil entlastet. Zwötzen liegt an den Bahnstrecken nach Saalfeld und nach Greiz. Mit dem Abschluss der Baumaßnahmen der DB Netz AG und der Inbetriebnahme des "Bypass Gera" wurde im Jahr 2016 die Greizer mit der Saalfelder Linie zwischen Gera Debschwitz und Gera-Röppisch zusammengelegt. Dadurch gewinnt der neue Bahnhof Zwötzen als ÖPNV-Verknüpfungsstelle an Bedeutung. Die ehemals Sächsische Bahnstrecke über Gera-Ost wurde nach fast 125 Jahren stillgelegt. Mit den Straßenbahnlinien 1und 2 und den Stadtbus¬linien 16, 18 und 25 ist Zwötzen vom städtischen Nahverkehr gut erschlossen.

Geschichte

Historie Zwötzen

Autor: Dr. Wolfgang Kochendörfer

Der Ort Zwötzen hat eine 700jährige Geschichte hinter sich und wird in einer Urkunde vom 5. September 1314 erstmals erwähnt. In dieser verleiht Heinrich der Ältere von Gera dem Kloster Cronschwitz Zinsen unter anderem aus einer Mühle bei Zwötzen. Funde von Steinwerkzeugen belegen aber auch, dass das Gebiet bereits wesentlich früher besiedelt war.

Als erster Rittergutsherr ist uns Reinhold von Zwötzen aus dem Jahr 1358 überliefert. Im 16. Jahrhundert gehörte der Ort nacheinander mehreren gleichnamigen Gerhard von Lüschwitz. Neben dem Rittergut war das Ortsgebiet auf 12 Lehen unterschiedlicher Größe aufgeteilt, hatte eine kleine Kirche am Schafgraben an Stelle der heutigen Kirche mit einem umgebenden Friedhof. Dieser war oftmals Opfer von schweren Überschwemmungen der Weißen Elster.
Abseits der Handelsstraßen blieb der Ort von den Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges relativ verschont, zu dessen Ende er 54 Einwohner und 12 Häuser zählte.

Die genannte landwirtschaftliche Struktur hielt sich bis ins 19. Jahrhundert. Das Gut prägte das Leben im Ort, unterstützte die Schulbildung und hatte auch eine eigene Gerichtsbarkeit. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts starb das Geschlecht derer von Lüschwitz in Zwötzen aus. Nach 1820 verlor das Rittergut an Bedeutung. Stark reparaturbedürftig wurde das Gutshaus 1971 abgerissen.

In der bäuerlich geprägten Zeit wuchs die Einwohnerzahl nur langsam. Dies änderte sich jedoch mit der Industrialisierung immens. Hatte Zwötzen in der Mitte des 19. Jahrhunderts etwa 400 Einwohner, so waren es 60 Jahre später bereits über 5300. Zunächst siedelten sich Familien von Arbeitskräften an, die in Gera beschäftigt waren. Neben einigen Bau- und Handwerksfirmen ist besonders die mit Zwötzen verwachsene, 1878 gegründete Transportfirma Franz Rothe und Söhne zu nennen. Als erstes Großunternehmen ging die Gera-Greizer Kammgarnspinnerei in der Ruckdeschelstraße 1890 in Betrieb, deren Aufsichtsratsvorsitzender bis 1919 Eugen Ruckdeschel war. Paul Schulenburg ließ die Seidenweberei in der Langen Straße heranwachsen und holte sich dazu den Bauhaus-Architekten Thilo Schoder, einen Schüler Henry van de Veldes. In der Metallbranche ließen sich die größeren Firmen „Wesselmann-Bohrer-Compagnie“, „Sonntag, Pressen- und Scherenbau“ und „Gebrüder Reinhold“ nieder. Schoder beeinflusste im Ort das Neue Bauen sowohl im industriellen als auch im Wohnungsbau.

Fußgänger querten die Elster je nach Möglichkeit über eine Furt oder einen zeitweilig vorhandenen Behelfssteg. Die erste Brücke erhielt der Ort 1870/71 beim Bau der preußischen Bahnlinie nach Saalfeld über Wolfsgefärth.

Fußgängern war jedoch deren Benutzung nicht erlaubt. Die Königlich Sächsische Staatseisenbahn war 1892 gezwungen, eine zweite Strecke über Liebschwitz nach Plauen zu bauen, womit Zwötzen (später Gera-Ost) einen ersten Halt erhielt. Erst 1897 kam der heutige Bahnhof Gera-Zwötzen hinzu.

Nach altem Vorbild wurde 2016 die Bahnlinie nach Greiz wieder mit der Saalfelder Strecke bis Gera-Röppisch zusammengelegt. Die Gleisanlagen nach Gera-Liebschwitz wurden stillgelegt, die Züge nach Greiz halten nun auch am Bahnhof Gera-Zwötzen.

Neben der Bahnbrücke wurde 1907 eine einspurige Straßenbrücke dem Verkehr freigegeben. Ihr zweispuriger Ausbau erfolgte 1926.

Der erste Straßenbahnanschluss Zwötzens entstand 1925 über die Ochsenbrücke in die Ruckdeschelstraße. Nach ihrem Rückbau wurde 2006 die neue Stadtbahnlinie 1 Untermhaus – Zwötzen mit ihrer Endhaltestelle in Betrieb genommen.

Die alte evangelische Dorfkirche wurde zugunsten einer neuen, größeren in Neogotik abgerissen; die als St. Martini am 10. November 1895 feierlich eingeweiht wurde. Zentral gelegen ist sie nun mit ihrer Kirchturmspitze für den Ort eine gute Orientierungshilfe.

Die Eingemeindung Zwötzens nach Gera erfolgte per Notgesetz am 1. Januar 1919 zusammen mit einer Reihe weiterer Vororte. Bis dahin lenkte Alfred Görler als Gemeinderatsvorsitzender die Geschicke des Ortes.

Erster Schulunterricht ist uns von 1695 bekannt. Mit dem starken Anwachsen der Bevölkerung während der Industrialisierung wuchs auch die Zahl der Kinder und damit die Klassenstärken. So bewirkte Rektor Bruno Geweniger 1911 den Neubau der heutigen Zwötzener Schule für bis zu 800 Schüler.

Eine weitere große Schule öffnete 1975 in der Ackerstraße, ausgelastet mit etwa gleicher Schülerzahl. Nach der Wende wurde sie jedoch nicht länger benötigt und 2012 abgerissen, um für einen Einkaufsmarkt Platz zu schaffen.

Als erste Einrichtung der Kinderbetreuung im Vorschulalter öffnete bereits 1892 die evangelische Kinderbewahranstalt „Heinrichsstift“ 1892 ihre Pforten. Und 1943 wurde in der Kammgarnspinnerei der erste Betriebskindergarten Geras eingeweiht. In der DDR-Zeit kamen noch weitere vier Kindereinrichtungen hinzu. Die Kinderbetreuung war damit vorbildlich, so dass Frauen einer Beschäftigung nachgehen konnten. Heute können nur noch die beiden Kindertagesstätten „Spatzennest“ und „Heinrichsstift“ genutzt werden.

Der Sport spielte in Zwötzen stets eine bedeutende Rolle. 1876 wurde der erste Turnverein gegründet. Ab 1893 wurde das Gelände des heutigen Sportzentrum Karl Harnisch erworben und mit Turnhalle ausgebaut.

Auch etablierte sich mit einem Schießplatz am Elsterufer eine Schützengesellschaft, die 1914 das Schützenhaus eröffnete. Nach der Umbenennung in „Volkshaus Gera-Zwötzen“ zogen in der DDR hier die Amateurkünstler ein, der Saal wurde von Betrieben und Schulen sowie für Tanzveranstaltungen genutzt.

Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges gab es Beschädigungen durch Bombenangriffe auch an den Fabriken. Im April 1945, in letzter Minute vor dem Einmarsch der Amerikaner, wurde die Eisenbahnbrücke durch den Volkssturm gesprengt. Die Sowjetische Militäradministration enteignete alle Firmen und demontierte die metallverarbeitenden Betriebe vollständig. Am härtesten traf dies die Wesselmann-Bohrer-Compagnie, da sie der Rüstungsindustrie zugeliefert hatte. Sie wurde von der SDAG Wismut übernommen, in der DDR-Zeit zur Betriebsberufsschule ausgebaut und beherbergt heute das Bildungszentrum Ostthüringen. In den Gebäuden der Fa. Schulenburg & Bessler verblieb bis heute die Textilindustrie mit den Firmen Thorey und Getzner. Die beiden anderen Maschinenfabriken waren in der DDR-Zeit der Wema UNION angegliedert und wurden nach der Wende rückgebaut.

In der DDR-Zeit entstanden eine Reihe von Neubaublocks besonders im Bereich der Straße der Völkerfreundschaft und der Walter-Gerber-Straße, um dringend benötigten Wohnraum vorrangig für Wismut-Beschäftigte zu schaffen.

Gute medizinische Betreuungsvoraussetzungen wurden 1955 mit der Eröffnung der Poliklinik „Clara Zetkin“ in der Lasurstraße geschaffen, wo bis zu 30 Ärzte wirken konnten. Auch heute wird dieses Gebäude als Ärztehaus und Apotheke weiterhin genutzt.

Um den Überschwemmungen Herr zu werden, wurde der Fluss ab 1926 mit der Elsterberichtigung in Zwötzen eingedeicht. Doch wie das jüngste Schadensereignis vom 2./3. Juni 2013 zeigt, war diese Maßnahme nicht ausreichend. Eine entsprechende Wasserstandsmarke ist am Gebäude Pfarrstraße 1 angebracht. Dieses Hochwasser der Weißen Elster ist mit dem vom 11. Juli 1954 vergleichbar und verursachte starke Schäden an Wohnhäusern, Kirche, Sportstätte und weiteren Gebäuden.